Die Biozeit oder auch biografischer Zeitbalken genannt, stammt aus der niederländischen Sozialpsychiatrie Ende der 70er Jahre(1). Sie entfaltet die wichtigsten lebensgeschichtlichen Daten entlang einer Zeitachse und ermöglicht so die parallele Notation verschiedener Dimensionen der Biografie. Die Biografie der Klienten spielt eine herausragende Rolle für das Verständnis der Person, ihres Selbstverständnisses, ihres Ortes in der Welt, der Erfahrungen auf welche sie zurückgreift sie strukturiert ihr Verhalten und ihre Weltsicht(2). Den Kerndimensionen, welche Pantucek definiert, Familie, Wohnen, Bildung, Arbeit, Gesundheit, Behandlung haben wir für unser Projekt noch zusätzliche Dimensionen wie z.B. den Suchtverlauf hinzugefügt, um das Verfahren unserem Klientel anzugleichen.
Im Unterschied zu Pantucek füllen wir die Biozeit nicht nur anhand von biografischen Gesprächen aus, sondern fordern zusätzlich unterschiedliche Abschlussberichte an. Dies gibt uns die Gelegenheit Wiederholungen erfolgloser Interventionen in der Biografie sichtbar werden zu lassen, weiterhin enthüllt sich auch ggf. eine Prozedierungsgeschichte.
Anhand der Biozeit wird evident, welche Auswirkungen Einflüsse in einer Dimension auf andere haben. Die Vorteile dieser grafischen Darstellung liegen auf der Hand. Zum einen ermöglicht es den Klienten Strukturen besser zu erkennen, sodass sie das entstandene Bild aus einer Vogelperspektive betrachten können, zum anderen wird mit der Biozeit ein übersichtliches Gedächtnis erstellt, welches oben genannte Punkte entkleidet. Auch hier werden wie bei der Netzwerkkarte Auswirkungen von Interventionen sichtbar und ermöglichen falls nötig ein gezieltes Eingreifen. Bei unseren drei Klienten wurde deutlich, dass alle bereits mehrere AEB`s und andere Suchthilfemaßnahmen absolviert haben. Trotz dieses Tatbestandes, war keiner in der Lage im Alltag auf dort kennengelernte Bewältigungsstrategien zurückzugreifen. Ein weiterer Vorteil war in der Haltung der Klienten zu entdecken, anscheinend fallen biografische Themen dieser Gruppe wesentlich leichter, wenn sie sich an einer Vorlage wie z.B. die Biozeit entlanghangeln können. So ist anzumerken, dass die benutzen Verfahren der Sozialen Diagnostik nicht nur zur Strukturierung nützen, sondern auch die Gespräche am laufen halten. Zudem unterliegt die Biozeit auch der Längsschnittdiagnostik, was wiederum Rückschlüsse zulässt und z.B. Fragen beantworten kann ob zuerst die Sucht oder die psychiatrische Erkrankung in Erscheinung traten.
Zur Erstellung bedarf es intensiver Gespräche, welche Erfahrungsgemäß gerade bei vorhandenen Traumatisierungen nicht hintereinander erfolgen sollten. So findet das Schließen von Lücken oft über einen längeren Zeitraum und nebenher statt. Die entstandene Abbildung wirft dann oft von selbst beim Klienten Fragen wie z.B. Was war in den Lücken? auf. Dieses hält dann das Gespräch im Fluss, sowie die eigene Beschäftigung, Klärung und Verarbeitung der Vergangenheit. Das bildliche Aufzeigen von Zusammenhängen wie z.B. Kündigung und Konsumsteigerung ist aus unserer Erfahrung viel intensiver
als es oft das rein sprachliche Aufzeigen ist, so wurden die Klienten im Projekt durch die Biozeit angeregt eigene Bewältigungsstrategien zu überprüfen und wieder zu entdecken. Auch wurde es oft von den Klienten als Erfolgserlebnis verbucht, wenn sie wieder eine Lücke in der Biozeit schließen konnten.
1vgl. Pantucek, Workshop Soziale Diagnostik auf der Tagung „Soziale Gesundheit stärken“ 24./25.09.2010 Berlin
2vgl. Pantucek, Soziale Diagnostik Verfahren für die Praxis Sozialer Arbeit 2. Auflage, 2009, Böhlau Verlag, S. 204
Mittlerweile gibt es auch ein Programm zur Erstellung der Biozeit, klicken Sie einfach auf den Button und Sie werden zur Seite weitergeleitet.